Projektregion
Allgemeine Wasserversorgungsproblematik in Karstgebieten
Mehr als 25% der Weltbevölkerung leben auf Karbonatgestein bzw. sind auf die Wasserversorgung aus Karstgrundwasserleitern angewiesen. Aufgrund hoher Versickerungsraten und fehlender Wasserspeicher an der Oberfläche sind Karstregionen oftmals durch erheblichen Wassermangel geprägt. Gleichzeitig existieren teils enorme Vorkommen in unterirdischen Höhlensystemen, deren Nutzbarmachung jedoch aufgrund heterogener Verteilung und saisonalen Dargebotsschwankungen mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Hinzu kommt das hohe Kontaminationsrisiko aufgrund der geringen Filterkapazität des Karstgesteins. Hierdurch ergeben sich enorme Hindernisse bei der Etablierung konventioneller Wasserversorgungssysteme für Karstgebiete, insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Karstvorkommen weltweit und in der Projektregion im Norden Vietnams (verändert Chen u.a. (2017)) |
Lage der Projektregion
Vietnam liegt an der Ostküste Südostasiens und grenzt im Norden an China, im Westen an Laos und im Südwesten an Kambodscha. In Nord-Süd-Richtung erstreckt sich das Land über eine Länge von 1.650 km, während die Breite an der schmalsten Stelle gerade einmal 50 km misst. Der Süden Vietnams ist durch weitläufige Flachlandschaften geprägt, im Norden finden sich hingegen felsige Gebirgszüge mit Höhen von über 3.000 m+NN. Die Landschaftsformen im Norden mit ihren unregelmäßigen Höhen und morphologischen Ausprägungen sowie einer Vielzahl an Hochplateaus sind insbesondere auf den häufig anzutreffenden Karstuntergrund zurückzuführen.
Die Projektregion befindet sich in der Provinz Ha Giang und erstreckt sich über die vier im äußersten Norden des Landes gelegenen Distrikte Quan Ba, Dong Van, Meo Vac und Yen Minh. Im Jahr 2010 wurde die Karstlandschaft dieser Distrikte als Dong Van Karst Plateau in das UNESCO Global Geopark Network aufgenommen. Das Gebiet ist der erste offizielle UNESCO Geopark Vietnams und der Zweite in ganz Südostasien.
Lage der Projektregion Dong Van, Ha Giang Provinz, Nordvietnam (links), Landschaft im Dong Van Karst Plateau (rechts) |
Topographie und Geologie
Etwa die Hälfte des Projektgebietes besteht aus Kalkgestein, die andere Hälfte aus andersartigen Gesteinscharakteristika wie z.B. Silit-, Ton- oder Sandstein. Die stark zergliederte Topographie mit Geländehöhen bis zu 2.000 m+NN ist geprägt von Karsthügeln mit tiefen Tälern und Schluchten. Die ländliche Bevölkerung lebt in Siedlungen und einzelnen Gehöften die sich über eine Höhe von etwa 700 bis 1.500 m+NN erstrecken. Die Distrikthauptstadt Dong Van City befindet sich auf einer Höhe von etwa 1.050 bis 1.080 m+NN. Der Fluss Seo Ho entspringt einem Höhlensystem auf einer Höhe von etwa 930 m+NN und fließt durch das Projektgebiet bis er auf einer Höhe von ca. 500 m+NN in den Grenzfluss zwischen Vietnam und China mündet. Weitere Oberflächengewässer in der Region sind in einem Bereich von ca. 200 bis 400 m+NN anzutreffen.
Klima, Hydrologie und Hydrogeologie
Die Region ist gekennzeichnet durch subtropisches Klima mit ausgeprägten Regen- (Mai bis Oktober) und Trockenzeiten (November bis April). Neben den topographischen und klimatischen Gegebenheiten führen auch die hydrogeologischen Bedingungen dazu, dass die Bewohner unter teils erheblichem Wassermangel leiden.
Aufgrund der hohen Porosität und Infiltrationsraten des Karsts kommt es zu einer Verlagerung des Abflussgeschehens in unterirdische Höhlensysteme, wonach es nur wenig ständigen Oberflächenabfluss und keine oberirdischen natürlichen Wasserspeicher gibt. Ausnahmen bilden lediglich Gebiete mit andersartigen Gesteinscharakteristika, wodurch das Untersuchungsgebiet gekennzeichnet ist durch Flüsse, die durch Schlucklöcher in den Untergrund fließen und mit großen Abflussschwankungen an unterschiedlichen Quellen wieder zu Tage treten. Aufgrund der Topographie legt das Wasser sowohl an der Oberfläche als auch im Untergrund teils enorme Höhenunterschiede zurück.
Die hydraulische Interaktion zwischen Flüssen, Höhlen und Quellen sowie die Rückhalte- und Speichercharakteristik des Aquifers bis hin zu den morphodynamischen Prozessen in den Wasserleitersystemen waren zu Beginn der Verbundaktivitäten weitgehend unbekannt. Hier ermöglichen die durch den FuE-Verbund erzielten bisherigen Ergebnisse ein weitreichendes Verständnis der lokalen und regionalen hydrogeologischen Prozesse.
Die Projektregion in der Regenzeit (links) und Trockenzeit (rechts) |
Siedlungsstruktur und Wasserversorgung
Die Bevölkerung lebt vornehmlich in räumlich weit verteilten Siedlungen in den Bergregionen sowie in einzelnen urbanen Gebieten (v.a. die Distrikthauptstädte) und ist hauptsächlich auf die Landwirtschaft zur Existenzsicherung angewiesen. Die wenigen oberflächigen Wasserressourcen bzw. Fließgewässer befinden sich teils hunderte Meter unterhalb der Siedlungen, wodurch bei der Nutzbarmachung große Förderhöhen und Förderdistanzen überwunden werden müssen. In Verbindung mit der für sub-/tropische Regionen typischen Konzentration des Niederschlags auf wenige Monate führt dies insbesondere in der Trockenzeit zu einer stark defizitären Wasserversorgung.
Schwere Lebensbedingungen für die lokale Bevölkerung, die hauptsächlich auf die Landwirtschaft und Viehzucht sowie den aufstrebenden Tourismus zur Existenzsicherung angewiesen ist |
In den ländlichen Gebieten erfolgt die Wasserversorgung über dezentrale und individuelle Ansätze, was stets mit großem Aufwand verknüpft ist. Während der Regenzeit sammeln die Menschen bspw. Regenwasser, in der Trockenzeit transportieren sie bspw. Quellwasser in Kanistern zu den Haushalten. Zur Verbesserung der Versorgungssituation setzt die Regierung vielerorts auf den Einsatz zentraler, flach ausgebildeter Wassersammelreservoirs, sogenannte „Hanging Pools“. Die dort verfügbaren Wasserressourcen sind jedoch neben der begrenzten Menge auch durch eine sehr eingeschränkte Wasserqualität aufgrund natürlicher (Verkeimung) und anthropogener Einflüsse (bspw. Nutzung der Becken als Waschplatz) gekennzeichnet. Als weitere Nachteile sind die erheblichen Baukosten, hohe Verdunstungsraten sowie konstruktive Mängel zu nennen.
Individueller Wassertransport durch Kinder und Frauen (oben links), Einsatz von Hausspeichern innerhalb des leitungsgebundenen Verteilsystems von Dong Van City (oben rechts), offene Wassersammelstelle („Hanging Pool“, unten) |
Ein zentrales leitungsgebundenes Versorgungssystem existiert lediglich in der Distrikthaupt-stadt Dong Van City. Die dortige Versorgung erfolgt primär durch eine Karstquelle, welche typischerweise durch variable Schüttungsraten und eingeschränkte Wasserqualität gekennzeichnet ist. Wie in derlei Regionen üblich erfolgt die Wasserversorgung aufgrund des begrenzten Dargebots in Verbindung mit einem maroden Netzzustand intermittierend, um Wasserverluste möglichst gering zu halten. Diese Betriebsweise führt neben der zeitlich limitierten Versorgung auch unmittelbar zur weiteren Verschlechterung der Wasserqualität durch Eintrag von Verunreinigungen sowie zu einer erhöhten Belastung des Verteilnetzes bspw. durch Druckschwankungen.
Im Hinblick auf die Wasserversorgung ergeben sich weitere Schwierigkeiten durch den regionalen Tourismus. So ist in den vergangenen Jahren ein exponentieller Anstieg der Besucherzahlen zu verzeichnen, was u.a. auf die Aufnahme des Dong Van Karst Plateaus in das UNESCO Global Geopark Network im Jahr 2010 zurückzuführen ist. Wenngleich dieser Umstand Chancen zur wirtschaftlichen Entwicklung bietet, so führt er auch unweigerlich zu einer Verschärfung der Versorgungsproblematik im Wassersektor.